Panisch suchen meine Füße im Schlamm halt, während ich mich die letzten Zentimeter durch den schmalen Höhleneingang schleife. Ich höre ihre Schreie. Das Kreischen. Fauchendes Zischen durch klingenbewährte Mäuler. Näher. Immer nah. Nie hier, doch immer nah. Als ich es endlich geschafft habe, die Überreste meines Körpers ganz in das versunkene Loch zu quetschen, trete ich Dreck, Matsch, Äste und Wurzeln nach dem Eingang. Verzweifelt versuche ich das Geflecht aus dem Untergrund zu reißen, um die Passage zu meiner Zuflucht zu versiegeln. Mehr und mehr, ich verschwende keinen Gedanken an Luft, möge ich hier eher ersticken als gefunden werden.

Erst als kein Lichtstrahl mehr durch die Öffnung dringt, erlaube ich mir so etwas wie Ruhe. Meine Lunge brennt. Ich kotze so viel brackiges Sumpfwasser aus, wie ich nur kann. Ich will zusammensacken, doch meine Muskeln erlauben es nicht, muss ich doch kampfbereit bleiben. Es ist dunkel, kalt, stickig. Ich bin einsam, verlassen, verwundet, dem Tod näher als dem Leben, um welches ich kämpfe, obwohl mir das andere lieber ist.

Ich horche in die Leere und warte. Irgendwann versuche ich mich langsam aus meiner Rüstung zu kämpfen. Dort, wo das erhitzte Metall mit der verbrannten Haut verschmolzen ist. Dort, wo die Krallen und Stacheln den Stahl durchstochen und in die Wunden gedrückt haben. Ich trage den Schmerz schon so lange mit mir rum, dass die unendliche Tortur sich schon nach Gewohnheit anfühlt. Das Loch ist klein, die Wände nah, das Unterfangen ist nicht nur schmerzhaft, sondern scheint immer wieder unmöglich, doch ich kann nicht in diesem Gefängnis aus kaltem Metall bleiben, sonst sind die Wunden mein Ende. Immer wieder kämpfe ich gegen die Panik der Platzangst, kann mich kaum bewegen. Ich versuche so lautlos wie möglich die Schmerzensschreie zu halten. Wenn sie mich hier finden… Die Angst der Hilflosigkeit regungslos eingequetscht in einem Erdloch zu sein, während sie mich durch den einzigen Eingang in Stücke rissen, würde mich töten, bevor sie es taten. Immer wieder halte ich inne, kämpfe gegen die nächste Panikattacke, fahre dann fort.

Die Versorgung der Wunden steht den Strapazen mich aus dem Panzer zu befreien kaum in etwas nach. Blind durchwühle ich die matschigen Taschen auf der Suche nach Tinkturen und Kräutern, um sie notdürftig in die ungereinigten Wunden zu reiben. Kaum hilfreich, aber genug, um das Schlimmste abzuwenden. Ich halte die Verbände nahe der Wunde so trocken ich kann. Zwecklos, doch was bleibt mir übrig? Die Alternative ist Aufgeben. Erst jetzt sacke ich zusammen. Ein Schatten meiner selbst zum Sterben zurückgelassen in einem Loch irgendwo im Sumpf.

Meine Rüstungsteile scheinen unter ihrem eigenen Gewicht um mich herum tiefer im Schlamm zu versinken. Ich gebe sie auf. Sie haben ihren Zweck überlebt, mich geschützt und behütet, doch jetzt zieht ihr Gewicht mich nur noch mit runter, macht mich langsam und erschöpft. Doch was soll ich ohne tun? Seit vier Jahren kämpfe ich mich durch Feindesland auf dem Weg nach Hause. Ich weiß nicht, wie weit mein Weg noch ist. Es scheint nahe, die Heere sind zu versprengten Spähtrupps geworden, niemand sucht seit Monaten nach mir und doch… der Gedanke auch nur einen Schritt vorwärts tun zu müssen, nur noch einen Kampf kämpfen zu müssen, macht mich wahnsinnig.

Flucht ist mein einziger Gedanke. Doch Flucht wohin? In die Wildnis in der Hoffnung, einen unentdeckten Ort zu finden, an dem ich meinen Verletzungen erliegen kann? Ins nächste Dorf in der Hoffnung, aufgenommen und gepflegt und nicht ausgeliefert oder gefunden zu werden? Ich will nicht mehr kämpfen, kann nicht mehr kämpfen. Doch wenn ich jetzt aufgebe, den Kampf beende und an diesem Ort verbleibe… wozu habe ich ihn dann begonnen? Um ein Leben zu führen, das nicht besser ist als das in der Arena, in der ich zwar gepflegt und versorgt wurde, aber unfrei der Willkür anderer unterworfen, unfähig, nur einen Tag meiner Rüstung zu entkommen, die ein Gefängnis im Gefängnis geworden war? Und dafür die letzten Jahre gekämpft zu haben?

Nein. Es gab kein Zurück mehr und es gab kein Aufgeben, kein Weglaufen. Mir blieb nichts anderes übrig als zu warten, bis die schlimmsten Wunden verheilt waren, mein Schwert und das zu nehmen, was von meiner Rüstung noch zu gebrauchen war, den Rest dankbar doch ohne Zurückzublicken im Schlamm zurückzulassen und mich weiter Richtung Süden zu kämpfen. In der Hoffnung, dass der Rest meines Körpers mich lange genug tragen würde, um nachhause zu kommen. Wenn er es durch die Nacht schaffte.

Danke fürs Lesen!

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